Hochsensibilität

Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität – auch Hochsensivität oder eher unscharf Überempfindlichkeit – ist ein Persönlichkeitsmerkmal, manche sprechen von einer Begabung, wobei bei den Betroffenen die Filter des Nervensystem anders als bei Normalsensiblen arbeitet, sodass sie eine erhöhte Empfänglichkeit für äußere wie innere Reize besitzen.

Hochsensible (Highly Sensitive Persons) nehmen etwa Geräusche und Berührungen stärker wahr, und was ihr Innenleben angeht, bleiben Erinnerungen, Vorstellungen und Gedanken länger und intensiver in ihrem Bewusstsein, was Vor- und Nachteile hat, denn einerseits haben Hochsensible ein tiefes Erleben und können gut mit anderen Menschen mitfühlen, andererseits sind sie schneller überreizt und brauchen lange, um alles zu verarbeiten. So kann sich für einen Betroffenen ein schwelender Konflikt noch nach Wochen so stark anfühlen wie zu Beginn.

Hochsensibilität ist daher eine Wahrnehmungsbegabung und keine Krankheit, jedoch machen die Konsequenzen der geschärften Sinne vielen Betroffenen zu schaffen, denn ohne Erholungspausen ermüdet der dauernde Input ihren Körper und ihre Psyche. Zwillingsstudien legen nahe, dass es sich um eine genetisch bedingte Besonderheit der reizverarbeitenden Systeme handelt. Oftmals kann durch das erworbene Fachwissen um dieses Persönlichkeitsmerkmal das Verhalten des Kindes besser eingeschätzt und ihm selbst erklärt werden, weshalb es in bestimmten Situationen wohlmöglich anders als seine Freunde reagiert. Das nimmt enormen Druck und trägt sehr viel zum Annehmen der Persönlichkeit des Kindes bei.

Es gibt drei zentrale Merkmale, die allen Hochsensiblen zu eigen sind:

  • langes Nachhallen von Gefühlen
  • schmale Komfortzone zwischen “alles wird mir zu viel” und “mir ist langweilig”
  • schnelle Überreizbarkeit

Eine Geräuschkulisse wie etwa in einem Bahnhof oder Café kann für Betroffene schon nach kurzer Zeit sehr anstrengend sein und bis zur Erschöpfung führen. Auch Reize wie intensive Gerüche, Berührungen oder visuelle Eindrücke nehmen hochsensible Menschen viel intensiver wahr als andere, d. h.

Hochsensible bevorzugen häufig ruhigere und reizärmere Umgebungen und fühlen sich wohler, wenn sie mit weniger Reizen aus der Umwelt konfrontiert werden.

Das Konstrukt Hochsensibilität existiert seit seiner Postulierung durch die amerikanische Psychologin Elaine Aron in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1997. Inzwischen gibt es mehrere wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen auch in deutscher Sprache. 

 

Diese Merkmale treffen auf hochsensible Kinder zu, wobei nicht alle Merkmale ausgeprägt sein müssen:

  • gründliche Informationsverarbeitung: stärkere Reflexion, Nachdenklichkeit, Hang zur Philosophie, Dinge in Frage stellen
  • Übererregung: empfindsames vegetatives Nervensystem, Stress durch Veränderungen
  • emotionale Intensität: schnell emotional berührbar
  • sensorische Empfindlichkeit: empfindlicher gegenüber Lärm, Schmerz, Licht, erhöhte Allergiebereitschaft

 

Wodurch zeichnen sich hochsensible Kinder (HSK) in ihren Stärken aus?

  • Sie verfügen über eine besondere Sinneswahrnehmung.
  • Sie zeichnen sich durch einen besonderen Sinn für Ästhetik aus, wie einem besonderen Gespür für Farben, Stile, Schnitte, Muster etc..
  • Hochsensible Kinder sind ausgezeichnete Zuhörer und können sich Details über Monate hinweg merken.
  • Sie sind in der Lage sich zu vertiefen, sprich stundenlang (allein) zu spielen, aber nicht gut darin mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen.
  • HSK können sehr gut analysieren, Fehler der anderen und ihre eigenen.
  • Sind komplexe Denker, hinterfragen, philosophieren.
  • Sie denken viel über eigene und fremde Gedanken nach, hinterfragen Dinge oder beleuchten ein Thema aus unterschiedlichen Richtungen.
  • HSK besitzen eine herausragende Vorstellungskraft.
  • Besonders hervorzuheben ist ihre Empathie, eine besonders ausgeprägte Sinneswahrnehmung im zwischenmenschlichen Bereich. Sie „fühlen“ die Stimmungen anderer Menschen im Raum, ohne das dazu gesprochen werden müsste. Sie sind äußerst feinfühlig und mitfühlend, daher als „gute“ Freunde sehr geschätzt.
  • Ihnen ist ein erhöhtes Streben nach Perfektion zu eigen.
  • HSK besitzen einen hohen Gerechtigkeitssinn und können schwer entgegen ihres moralischen Gewissens handeln, damit auch schwer Ungerechtigkeiten ertragen.
  • HSK sind sehr wissbegierig, knobeln und rätseln gern.
  • Tiere spielen bei hochsensiblen Kindern eine große Rolle, sie fühlen sich geborgen mit ihnen, u.a. einem Hund, neigen mitunter zur Vermenschlichung des Haustiers.
  • Sie sind bestens in der Lage sich allein zu beschäftigen.

 

Welche Herausforderungen können im Alltag mit einem hochsensiblen Kind auftreten?

  • fühlen sich unter Fremden unsicher
  • lehnen laute Schulklassen ab, träumen oder verweigern sich
  • durch Überreizung Ausprägung körperlicher Symptome
  • eher wenig befreundet mit anderen Kindern, pflegen einige wenige gute Freundschaften
  • wirken manchmal abwesend oder träumen vor sich hin
  • mögen keine plötzlichen Veränderungen und Überraschungen
  • brauchen nach Aufregung sehr lange, um zur Ruhe zu kommen (Schlaf)
  • sind bei Außenspielen eher vorsichtig und wägen ab („Spielverderber“ bei anderen Kindern, die mutiger oder unvorsichtiger agieren)
  • nehmen Disharmonien und Konflikte intuitiv wahr, benötigen lange zur Verarbeitung
  • erschrecken schnell
  • brauchen für vieles eher länger
  • reagieren positiv auf geordnete Strukturen, die sie bei Ausbleiben stark und rigoros einfordern
  • mögen keine nasse Kleidung, störende Kleiderschilder oder kratzigen Stoffe
  • sind gestresst bei objektiv „schönen“ Anlässen, wie Festen, Familienzusammenkünften, Weihnachten etc. bis hin zu traurigen und depressiven Gedanken
  • reagieren gestresst bei Klassenarbeiten, Notenvergabe, Leistungsdruck
  • sind bei Konflikten schnell verängstigt und reagieren mit Weinen, Rückzug, Abschalten

 

Was können Eltern im Umgang mit ihrem hochsensiblen Kind beachten?

Eltern sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie eine emotional und zeitlich intensivere Betreuung ihres Kindes leisten werden. Dies erfordert Geduld, Neugier und Zeit, sein hochsensibles Kind kennenzulernen. Sie sollten annehmen, dass es vielleicht sehr gern allein in seinem Zimmer spielt und viele Außenkontakte nicht mag. Es wäre gut, viel gemeinsame Zeit in der Natur zu verbringen, um Reize zu reduzieren und dem Kind zu helfen sich zu entstressen.

Es ist wichtig, seinem Kind dabei zu helfen, seine Gefühle besser zu benennen und ihm Zuversicht und Optimismus beizubringen. Eltern müssen darauf achten, klar abzugrenzen, welche „Probleme“ ausschließlich auf Elternebene zu klären sind, damit ihr Kind sich nicht aller Sorgen und Nöte aufgrund seiner hohen Sozialkompetenz annimmt.

Regelmäßige Rituale, wie gemeinsame Mahlzeiten, Spieleabende oder Kuschelzeiten tragen erheblich zur inneren Sicherheit und Stabilität bei. Haustiere können wichtige Gefährten der Kinder werden. Eltern sollten die Selbstachtung ihres Kindes fördern, ihrem Kind seine Stärken bewusst machen. Wenn nötig, müssen auch hochsensible Kinder in ihrem Verhalten korrigiert werden, dazu reicht es jedoch aus, in einem ruhigen Gespräch mit seinem Kind, welches weder über- noch untererregt ist, zu agieren, um die Scham niedrig zu halten.

Eltern sollten den Medienkonsum regulieren und Zuhause für entspannende Auszeiten sorgen. Wichtig dabei sind sowohl der körperliche Ausgleich, als auch der emotionale Austausch miteinander. Hochsensibilität kann eine Bereicherung im zwischenmenschlichen Umgang miteinander sein und alle Familienmitglieder, ob hochsensibel oder nicht, lehren, wertschätzend und rücksichtsvoll miteinander zu agieren.

 

Hochsensibilität in seiner Form als Persönlichkeitsmerkmal bedarf keiner ärztlichen Diagnostik

Eine ärztliche Diagnostik bezüglich anmutenden Entwicklungsstörungen wie u.a. dem Asperger-Syndrom oder AD(H)S erfolgt in den kinderpsychiatrischen und kinderpsychologischen örtlichen Schwerpunktpraxen. Dazu beraten wie Sie gern und besprechen mit Ihnen Merkmale hochsensibler Kinder, deren Stärken und Besonderheiten und gebe Hilfestellungen einen entspannteren Alltag innerfamiliär oder schulisch zu erleben. So sind hochsensible Kinder durch ihre ausgeprägt hohe Sozialkompetenz eine große Bereicherung in jedem Klassen- oder Familienverband. Unsere Elternarbeit mit Ihnen besteht im Vermitteln von Fachwissen, Anregen von Verständnis, Zeitlassen, dem Vermitteln von Neugier und Achtung im Umgang mit ihrem Kind, Halt geben und einem wertschätzenden Miteinander. 

Wir beraten Sie gern in einem persönlichen Gespräch zu ihrer ganz eigenen Familiensituation und den umsetzbaren Möglichkeiten im Alltag mit Ihrem hochsensiblen, wunderbaren Kind.